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Seit 6 Monaten ist Eva Gretzmacher in der Hand von Enführern

Sechs Monate Stille – Ein Brief an alle, die Eva nicht vergessen haben
Heute, am 11. Juli sind es genau sechs Monate seit der Entführung meiner Mutter Eva Gretzmacher.
Sechs Monate, seit Eva – eine Mutter, eine Schwester, eine Freundin, eine Verbündete – aus ihrem Haus in Agadez verschleppt wurde.
Sechs Monate, die sich anfühlen wie eine Ewigkeit.
Für uns – aber vor allem für sie.
Gefangen in einer Region, in der der Staat längst verschwunden ist und Menschlichkeit zur Währung geworden ist.
Sechs Monate, in denen so vieles geschehen ist – und doch so vieles nicht.
Und vor allem nicht dort, wo es am meisten gebraucht wird: in den politischen Schaltzentralen, auch in denen Europas.
Die Welt hat sich weitergedreht.
Nur für uns scheint sie stehen geblieben zu sein.
Viele haben gefragt, viele haben geholfen, viele haben geschwiegen.
Manche aus Ohnmacht. Manche aus Angst. Manche aus Kalkül.
Und doch: Es bewegt sich etwas.
Langsam, oft unsichtbar – aber es bewegt sich.
Ich schreibe diesen Brief nicht, um Hoffnung zu machen, wo keine ist.
Aber ich schreibe ihn, weil Hoffnung lebt.
Weil Gespräche geführt werden. Weil Fragen gestellt werden.
Weil einige – nicht alle, aber einige – sich verantwortlich fühlen.
Und manchmal reicht das, um etwas zu verändern.
Ich kann nicht alles sagen.
Nicht, weil ich nicht will – sondern weil Worte in solchen Momenten nicht nur trösten, sondern auch gefährden können.
Aber ich kann sagen:
Wir geben nicht auf.
Wir hören nicht auf, zu fragen.
Wir hören nicht auf, zu kämpfen – für Klarheit, für Schutz, für Rückkehr.
Und vor allem darum, dass es rasch geht. JETZT.
Die Geschichte meiner Mutter ist kein Einzelfall.
Sie steht für mehr.
Für das, was in Europas Beziehung zu Afrika oft fehlt: Vertrauen. Zuhören. Verbindung.
Eva hat nie repräsentiert – sie hat gelebt.
Sie war nicht dort, um zu helfen, sondern um zu leben.
Um da zu sein.
Um Brücken zu bauen, wo andere Mauern errichten.
Und genau das müssen wir jetzt tun: Brücken bauen – nicht in Sand, sondern in Bewusstsein.
Wenn ich euch also um etwas bitten darf, dann um drei Dinge:
Vergesst nicht, was passiert ist.
Sprecht darüber.
Helft mit, das Schweigen zu durchbrechen – sachlich, klug, mit Herz und Haltung.
Denn das hier ist nicht nur die Geschichte einer Frau.
Es ist die Geschichte einer Welt, die entscheiden muss, ob sie Verantwortung übernimmt – oder zusieht, wie sie zerbricht.
Eva ist nicht nur meine Mutter.
Sie ist eine Botschafterin der Menschlichkeit.
Und Menschlichkeit darf nicht verschwinden.
Nicht in Agadez. Nicht im Sahel. Nicht in Europa.
In großer Dankbarkeit – und mit aller Entschlossenheit,
Christoph Gretzmacher
Auch in der Krone nachzulesen: https://www.krone.at/3838877